Automotive: Gezielte Oberflächenbearbeitung schafft messbare Vorteile
Interview
Aktuell ist in der Presse zu lesen, dass die EU ab 2020 Strafabgaben für die Automobilindustrie plant. Pro neu zugelassenem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor und pro Gramm Überschreitung des CO2-Grenzwertes von 95 g/km muss der Hersteller dann 95 Euro nach Brüssel überweisen. Im Jahr 2018 lagen die Emissionen laut Council on Clean Transportation bei im Durchschnitt bei 121 g/km. Florian Reinle, Ingenieur in der Abteilung Forschung & Entwicklung beim Maschinenbauer OTEC Präzisionsfinish, zeigt auf, wie Automobilbauer ihre Fertigungsprozesse weiter optimieren und gleichzeitig Reibung reduzieren können.
Herr Reinle, Sie beschäftigen sich bei OTEC mit dem Thema Reibung und wissen daher, wo der Automobilindustrie oft der Schuh drückt. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Empfehlung?
„Aus unserer Erfahrung und aus Gesprächen mit Kunden wissen wir, dass es einen großen Effizienzhebel bei der gezielten, anwendungsoptimierten Glättung von Reibpartnern gibt. Bauteile bei denen Gleitreibung vorliegt, beispielsweise Nockenstücke, Kolbenringe, Kurbelwellen oder Zahnräder, können präzise maschinell geglättet werden. Da wir zugleich zusätzliche Vorteile wie etwa das Entgraten damit verbinden, sprechen wir von einer ganzheitlichen Bauteilverbesserung.“
Das klingt nach einem anspruchsvollen Thema. Können Sie zunächst erläutern was Sie unter der gezielten Glättung der Oberfläche verstehen?
„Gerne! Darunter verstehen wir das Einebnen der Oberfläche, das Entfernen von Rauheitsspitzen und Bearbeitungsriefen. Somit ergeben sich eine isotrope Oberfläche sowie eine gemeinsam mit dem Kunden abgestimmte Rauheit. Dabei bereiten wir das Bauteil mit unserem Prozess durch einem hohen Eintrag von Reibenergie bereits für die Anwendung im Felde vor. Wir sorgen sowohl für Reibungs- als auch Verschleißverringerung. An der Oberfläche ergibt sich eine Scherschicht, in der wir Gefügeveränderungen und Druckeigenspannungen erzeugen, welche das Bauteil im günstigen Maße für den Einsatz konditionieren. Denkt man weiter, reduziert sich durch diese präzise Endbearbeitung die Reibung im Antriebsstrang: Weniger Kraftstoff wird verbraucht, sprich die bereitgestellte Antriebsenergie wird effizienter genutzt – und damit sinkt auch der CO2 Ausstoß.“
Das klingt sehr vielversprechend – können Sie die weiteren Vorteile konkret benennen und erklären womit sich die gesamtheitliche Bauteilverbesserung ergibt?
„Bei der Bearbeitung selbst können wir durch die maschinellen Verfahren Prozesssicherheit und Wiederholgenauigkeit bei kürzester Bearbeitungszeit ermöglichen, was eine gesteigerte Kosteneffizienz bedeutet. Und die Produktqualität erhöht sich. Das sieht man dem Bauteil sogar sofort an. Wenn Sie das Entgraten oder gezielte Kantenverrunden betrachten, haben wir gleichzeitig zusätzliche, handfeste Vorteile. Da ist es naheliegend, dass das Handling verbessert wird, und dass die Montage beim Einpressen von Bauteilen oder dem Einführen sensibler Bauteile wie Dichtungen - im wahrsten Sinne des Wortes - besser flutscht. Bei stark auf Reibung und Verschleiß beanspruchten Teilen erfolgt häufig das Aufbringen von Beschichtungen – diese Beschichtungen können mit einer vorher optimierten Oberfläche eine stabilere, besser haftende Verbindung eingehen. Und auch eine Glättung nach dem Beschichten ist möglich.
Ein attraktiver Effekt ist auch die mögliche Verbesserung des NVH-Verhaltens. Das heißt, dass die hör- oder spürbaren Schwingungen reduziert werden. Wie auch das NVH-Verhalten in der Wirkung klar über das einzelne Bauteil hinausgeht, können wir durch das Glätten der Oberfläche wichtige Synergieeffekte ermöglichen. Etwa den Einsatz niedrigviskoserer Schmierstoffe für mehr Effizienz im Gesamtsystem.“
Nun liest man in der Presse, dass die E-Mobilität für Fahrzeugbauer schlechthin die Lösung ist, um Strafzahlungen zu vermeiden oder einzuschränken.
„Ja, die politischen Randbedingungen fördern, dass zunehmend mehr Elektrofahrzeuge auf den Markt kommen. Das betrifft die verschiedenen Fahrzeugklassen unterschiedlich stark. Die Berichte sind aber meist darauf bezogen, dass mehr elektrisch angetriebene Fahrzeuge hergestellt werden.
Nur das Herstellen an sich reicht nicht aus – die Fahrzeuge müssen auch auf die Straße. Und hier kommen der Wettbewerb und auch die Verbraucher ins Spiel. Beschäftigt sich ein Endkunde mit der Anschaffung eines E-Autos, ist ein wichtiger Faktor die Kosten-Nutzen-Bilanz. Zentral sind hier Reichweite sowie Anschaffungs- und Betriebskosten.“
Spielt Reibung und NVH auch hier bei der E-Mobilität eine Rolle, Herr Reinle?
„Durch die Oberflächenbearbeitung der Getriebebauteile ergeben sich auch hier klare Vorteile, die auch in Richtung Endkunde sehr relevant - sozusagen goldwert - sind. Wie auch beim Verbrennungsmotor wird die Effizienz durch die Oberflächenoptimierung der Bauteile gesteigert und es er-folgt eine ganzheitliche Verbesserung der Bauteileigenschaften. Hinzu kommt, dass das bereits kosteneffiziente Verfahren auf eine geringe Anzahl für Reibverluste verantwortliche Bauteile konzentriert werden kann. Am Ende können Sie mit einem kleineren, also günstigeren Akku die gleiche oder mit dem gleichstarken Akku mehr Reichweite erzielen. Und Geräuschemission, also NVH-Optimierung, ist auch in der Entwicklung von E-Antrieben ein wichtiges Thema, da man nun Geräusche wahrnimmt, die der Verbrennungsmotor zuvor überdeckt hat.“
Warum sollten Autohersteller speziell über den Einsatz der OTEC-Prozesstechnologie nachdenken? Wo liegt der Verfahrensvorteil?
„Bei Kunden der Automobilbranche, die bereits auf OTEC Präzisionsfinish in ihrer Produktion setzen, zählen neben den genannten Vorteilen der bearbeiteten Bauteile auch Prozessvorteile. Das spezielle OTEC Streamfinish-Verfahren ist ein säurefreier Prozess – gut für Mensch und Umwelt. Verglichen mit anderen Finishverfahren ist es zudem günstiger. Und es ist mit Prozesszeiten von durchschnittlich 90 Sekunden das schnellste Gleitschleifverfahren.
Die Unterschiede gegenüber den anderen Techniken in diesem Bereich sind die hohen Bearbeitungskräfte und der hohe Anteil an Reibenergie in der Maschine. Beim Streamfinish werden die Werkstücke in einen Halter eingespannt und in den sich drehenden, mit Schleif- oder Poliermitteln gefüllten Behälter abgesenkt. Die eigentliche Arbeitsbewegung erfolgt durch das umströmende Schleif- oder Poliermittel und zusätzlich durch das ebenfalls rotierende Werkstück. So kann gezielter und schneller abgetragen wer-den als bei jeder anderen Gleitschleifmaschine. Die SF wurde speziell für die Anwendungen entwickelt, für die es bisher keine befriedigenden Verfahren gab. Die Anforderungen an Wiederholbarkeit und Prozesszeit sind entscheidende Faktoren, wie sie eben die Automobilindustrie stellt.
Durch die hohen Bearbeitungskräfte können wir feine Geometrien auch mit feinem Schleif- und Poliermittel effektiv angehen. Gerade die Integration in die Linienfertigung ist durch einfache Anpassung an Taktzeiten und automatische Beladung möglich.“
Vielen Dank, Herr Reinle!
Läuft wie am Schnürchen: Automation der SF Serie mit Roboterbeladesystem (RLS)
Bei der Bearbeitung von Werkstücken in großer Menge sind kürzeste Belade- und Rüstzeiten wichtige Effizienz-Faktoren. Ermöglicht wird das durch die automatische Beladung mit Roboter (SF RLS, s. Abbildung links). Die Maschinen der Serie SF Automation können wahlweise mit PULSFINISH ausgestattet wer-den und eignen sich unter anderem für die taktgebundene Linienfertigung. Je nach Anforderungsprofil werden die Maschinen vorgerüstet zur automatischen Beladung oder wahlweise mit integrierter automatischer Beladung ausgestattet. Der modulare Aufbau der Maschine erlaubt eine einfache Anpassung an die Taktzeit. Die SF Automation kann somit problemlos als integrales Element in eine Produktionslinie eingegliedert werden.
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